Vernehmlassung zur Teilrevision des Gesetzes über die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Graubünden (GWE) Neukonzeption des Regionalmanagements

Sehr geehrter Herr Regierungsrat Geschätzter Marcus
Sehr geehrte Damen und Herren

Wir bedanken uns für die Möglichkeit, zu dieser für die Wirtschaftsentwicklung im Kanton Graubünden wichtigen Vorlage eine Vernehmlassung abgeben zu können.

Die Dachorganisationen der Wirtschaft Graubünden (Bündner Gewerbeverband, Handels­kammer und Arbeitgeberverband Graubünden, HotellerieSuisse Graubünden) vertreten zu­sammen mehr als 7000 Unternehmen in Graubünden aus den verschiedensten Branchen. Entsprechend ihren Statuten sind die drei in der Dachorganisation der Wirtschaft Graubün­den zusammengeschlossenen Verbände einer wettbewerbsfähigen und marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaft verpflichtet. Sie setzen sich unter Berücksichtigung gesamtwirt­schaftlicher Interessen für eine grundsätzlich wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft mit möglichst geringen Einschränkungen, gute Rahmenbedingungen sowie die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Graubünden ein.

Die Dachorganisationen der Wirtschaft unterstützen die präsentierte Vorlage resp. deren Stossrichtung im Grundsatz. Zu einzelnen Aspekten äussern wir uns wie folgt:

 

1. Exportbasisansatz

Dem Wirtschaftsentwicklungsgesetz liegt der Exportbasisansatz als Grundprinzip zugrunde. Dies soll nach Überzeugung der Dachorganisationen auch so bleiben, das Prinzip soll nicht verwässert werden. Exportorientierte Wirtschaftszweige sind die Entwicklungsmotoren der Regionen. Ziel der Wirtschaftsentwicklung ist die Erhöhung der Wertschöpfung. Wertschöpfung wird nur mit Export generiert. Deshalb ist der Exportbasisansatz richtig. Anderweitige Projekte und Aufgaben im Interesse einer Region sind nicht über das Wirtschaftsentwicklungsgesetz zu fördern und finanzieren, hierfür müssen die Mittel anderweitig bereitgestellt werden. Ebenso ist es richtig, die Regionalpolitik im Sinne einer Anschubsfinanzierung zur finanziellen Unterstützung der Regionen auszurichten, nicht für den Dauerbetrieb. Entsprechend stehen wir einer Erweiterung des Handlungsspielraumes, indem auch indirekte Wertschöpfungs- und Standortwettbewerbsmerkmale in Betracht gezogen werden könnten, skeptisch gegenüber. Dies würde den Fächer möglicher Unterstützungen und Handlungsfelder weit öffnen. Dadurch würde der Fokus der Schaffung von Wertschöpfung verwässert. Eine allfällig - sicher wünschbare - Steigerung der Standortattraktivität ist anderweitig zu fördern. Auch hier gilt das Prinzip "klotzen , nicht klecksen" und die Tatsache, dass Ziele nur dank Fokussierung erreicht werden können .

 

2. Ungenügende bisherige Wirkung

Wir teilen die Auffassung, dass die bisherige Wirkung der Regionalentwicklung ungenügend war. Offenbar fehlt es an innovativen Ideen, zudem auch an Unternehmertum beim Aufbau von Trägerschaften . Den Hauptgrund sehen wir indessen in der mangelnden Strategie- und Konsensfähigkeit in den Regionen, fehlenden klaren Zielen und Visionen sowie fehlender Leadership. Der kleinste gemeinsame Nenner inner- halb einer Region reicht nicht aus, um innovative Visionen und Projekte entstehen zu lassen.

 

3. Regionalität vs. funktionale Räume

Innovationen und Visionen orientieren sich nicht an regionalen Grenzen. Bei den heutigen Strukturen ist es - vermutlich auch wegen Partikularinteressen - schon innerhalb einer Region nicht möglich, wirkliche Innovationen entstehen zu lassen und entsprechende Projekte umzusetzen.

 

4. übergeordnete Interessen vs. Partikularinteressen

Die Regionalität sowie die unterschiedlichen Interessen und Ziele innerhalb der Regionen entwickeln sich zum limitierenden Faktor, zumal (zu) viele Partikularinteressen zu berücksichtigen sind und der Fokus auf das Ganze und Wesentliche oftmals fehlt. Deswegen ist es auch richtig, dass der Kanton stärker in die Leadership eingebunden wird. Dies insbesondere auch, wenn Wertschöpfung generierende Entwicklungen überregional umgesetzt werden sollen und müssen. Als Beispiel, wie die Leadership des Kantons die Entwicklung von Projekten zielführend zum Erfolg bringen kann, diene die Schaffung des Industrieparks Vial in Domat/Ems.

 

5. Zunehmende Komplexität der Projekte

Wir teilen die Auffassung, dass die Komplexität der Projekte - dies ein weiterer limitierender Faktor - zunimmt. Nicht jeder Regionalentwickler kann stets über sämtliche erforderlichen Kompetenzen verfügen. Kommt hinzu, dass die Regionalentwickler zum Teil auch noch weitere Aufgaben wahrnehmen und dabei "vielen Herren" dienen müssen. Deswegen hat der ungenügende Erfolg der Regionalentwicklung weniger mit den Regionalentwicklern als mit den Strukturen und den schwerfälligen Entscheidungs- und Führungsstrukturen innerhalb der Region zu tun.

 

6. Bündelung der Ressourcen und Kompetenzen

Wir sind überzeugt, dass die mit der Regionalpolitik verfolgten Ziele durch die vorgesehene neue Organisationstruktur gestärkt und verbessert werden kann. Bereits heute sind bei den Regionalentwicklern verschiedenste, aber auch unterschiedliche Kompetenzen vorhanden. Dieses Potential soll im Interesse der Stärkung der Regionalpolitik genutzt werden. Die neue Organisationsstruktur trägt aber auch zu etwas mehr Distanz resp. Handlungsfreiheit der Regionalentwickler bei, welche nicht weiterhin im Auftrage ihrer zahlreichen "Stakeholder" mit zum Teil unterschiedlichen Zielen und Interessen tätig sein müssen, sondern im Interesse der regionalen resp. sogar überregionalen Entwicklung zur Stärkung der funktionalen Räume und nicht von Partikularinteressen. In diesem lichte wird die neue Grundstruktur des Regionalmanagements gemäss Abbildung 2, S. 14, im Grundsatz unterstützt.

 

7. Vermeidung von Doppelspurigkeiten bei der Themenführerschaft

Dass die Regionalentwicklung zur regionalen Koordination und operativen Bearbeitung verschiedener Themen befähigt werden soll, wird positiv aufgenommen, ebenso die Übernahme bestimmter Themenführerschaften. Allerdings werden dabei (S. 16) Themen angesprochen, welche auch Gegenstand anderer politischer Projekte (z. B. der digitalen Transformation) bilden. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass sich diverse Stellen und Personen mit der gleichen Thematik befassen. Vor allem ist aber auch eine Doppelsubventionierung zu vermeiden, indem entsprechende Kosten sowohl über das Wirtschaftsentwicklungsgesetz als auch über das Gesetz zur digitalen Transformation getragen werden.

 

8. Vorleistungen

Unter der Bedingung, dass die entfallenden Beiträge des Bundes aus der NRP, wie auf S. 28 des erläuternden Berichtes beschrieben, abgeholt werden, kann der Erhöhung des Kantonsbeitrages von 25% auf maximal 50% für Vorleistungen zugestimmt werden.

 

9. Regionalisierung oder Kantonalisierung mit dezentralen Standorten

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen, insbesondere der ungenügenden Zielerreichung gemäss der bisherigen Organisationsstruktur, der ungenügenden Anzahl Umsetzungs- oder Folgemassnahmen sowie fehlenden innovativen Projektideen, muss eine neue Organisationsstruktur gesucht werden. Die gemäss Botschaft vorgeschlagene Kantonalisierung mit 5 RE-Stellen in den Regionen könnte die bisherigen Mängel in der Organisationsstruktur verbessern und demnach vielversprechend sein. Insbesondere kann der Einfluss und die Kontrolle des Kantons gestärkt werden und würden die limitierenden Faktoren innerhalb der Regionen, wo es Äusserst schwierig ist, eine Einigkeit zu erlangen, gemildert. Am wichtigsten scheint dabei die Aufhebung des regional auf einen Gebietsperimeter beschränkten Fokus und die zielgerichtete Erweiterung desselben auf überregionale resp. funktionale Räume. Ferner besteht im Sinne einer Best Practice die Möglichkeit zu verhindern, dass in jeder Region für Ähnliche Probleme und Ziele eigene Lösungen gesucht werden.

 

10. Strategische Begleitgremien

Es erweckt den Anschein, dass die bisherige Regionalentwicklung oftmals zu stark "politikgetrieben" statt "projekt- resp. innovationsgetrieben" ausgeübt wurde. Nicht umsonst war auch die Anzahl unterstützungswürdiger Projekte zu gering, vermutlich auch weil die einzigen Player unterschiedliche Interessen verfolgten und eine Fokussierung schwierig war. Mit der Schaffung eines strategischen Begleitgremiums besteht die Möglichkeit, Regionalentwicklung nicht nur "politikgetrieben" zu betreiben, sondern die Unternehmer in die Verantwortung resp. die Fokussierung auf innovative Projekte einzubinden.

 

11. Beurteilung und Schlussfolgerung

Die Beurteilung und Schlussfolgerung der Regierung unter Ziff. 5 des erläuternden Berichtes (S. 25 f.) scheint uns nachvollziehbar und richtig.

 

Gerne hoffen wir, mit unseren Überlegungen einen Diskussionsbeitrag leisten und die Regierung in ihrer Auffassung bestärken zu können, die vorgeschlagene Neukonzeption des Regionalmanagements Graubünden im Sinne der vorstehenden Ausführungen und Anregungen umzusetzen.