Aufhebung der Industriezölle – Stellungnahme
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident
Sehr geehrte Herren Regierungsräte
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2018 wurden interessierte Kreise dazu eingeladen, sich zur geplanten unilateralen Aufhebung der Zölle auf Importe von Industriegütern zu äussern. Handelskammer und Arbeitgeberverband Graubünden vertritt als Wirtschaftsorganisation die Interessen der Unternehmen des Kantons Graubünden, insbesondere auch der Exportunternehmen, und setzt sich für eine grundsätzlich wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft mit möglichst geringen Einschränkungen ein.
Rund 17% der Bruttowertschöpfung des Kantons Graubünden entfällt auf Exporte. Insbesondere die Bereiche chemisch-pharmazeutische Industrie, Maschinen-, Apparate-, Elektronik- und Präzisionsinstrumente sind die zumeist stark wachsenden Exportbranchen. Ihre Hauptabsatzmärkte finden diesen Branchen im Ausland; gleichzeitig sind sie aber auch auf Vorleistungen aus anderen Märkten angewiesen. Wir sind davon überzeugt, dass möglichst uneingeschränkte Handelsmöglichkeiten und niemals Marktabschottung den Erfolg unseres Wirtschaftsstandorts resp. unserer Exportunternehmen sichern können. Wir setzen uns deshalb für den Abbau von Handelshemmnissen und für den Zugang von Schweizer Unternehmen zu ausländischen Märkten ein. Mit der Aufhebung der Industriezölle und der Vereinfachung des Zolltarifs wird ein kleiner Schritt in diese Richtung unternommen, weshalb dieses Vorhaben klar unterstützt wird.
Wir erlauben uns, im Folgenden detailliert Stellung zu nehmen:
Allgemeine Bemerkungen
1. Nutzen der Zollaufhebung
Die Wirtschaft generell, insbesondere aber die Industrie, ist auf Vorleistungen und Importe aus dem Ausland angewiesen. Unsere Exportunternehmen sind, wie die Schweiz im Allgemeinen, fest in der globalen Wertschöpfungskette verankert.
Eine liberale Handelspolitik mit einem möglichst weitgehenden Verzicht auf Einschränkungen in den freien Warenverkehr ist für die Prosperität unserer Volkswirtschaft wesentlich. Trotzdem bestehen heute zahlreiche tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse, die sich die Schweiz teilweise selbst auferlegt. Deshalb wird das vom Bundesrat am 20. Dezember 2017 beschlossene Massnahmenpaket zu den Importerleichterungen begrüsst. In diesem Zusammenhang wurde seitens von Handelskammer und Arbeitgeberverband Graubünden auch der Ersatz der Bewilligungspflicht beim Import von Lebensmitteln unter dem Cassis-de-Dijon-Prinzip durch eine Meldepflicht im Rahmen der entsprechenden Vernehmlassung unterstützt.
Die Abschaffung von Einfuhrzöllen, wie sie Gegenstand dieser Vorlage ist, stellt eine weitere und zudem einfach umsetzbare Möglichkeit zur Beseitigung von Handelshemmnissen dar. Importzölle sind ökonomisch ineffizient, da sie die importierte Ware sowohl direkt über die Tarife als auch indirekt über den durch Zollformalitäten verursachten administrativen Aufwand verteuern. Sie schaden damit den Unternehmen, aber auch den Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten, die die höheren Kosten mittragen müssen. Die tarifäre und administrative Entlastung hingegen führt zu einer Senkung dieser Kosten. Die Schweiz profitiert von günstigeren Vorleistungen sowie den weiteren Vorteilen, die der verstärkte Wettbewerb mit sich bringt, allen voran einer gesteigerten Innovationsfähigkeit und Produktivität. Letztlich steigern sich Bruttoinlandprodukt und Volkseinkommen.
Der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Massnahme ist unbestritten, wie Studien des Bundes sowie Erfahrungen aus dem Ausland zeigen. So dient auch der Wegfall der Zolleinnahmen im Bundeshaushalt nicht als Argument gegen, sondern für die Abschaffung der Zölle. Denn die Mindereinnahmen im Umfang einer halben Milliarde Franken bedeuten, dass heute die Importe um denselben Betrag überteuert sind. Auch Bedenken bezüglich einer geschwächten Verhandlungsposition für neue Freihandelsabkommen sind aus Sicht unserer Handelskammer vernachlässigbar, da heute mit dem Grossteil der Handelspartner Erleichterungen des Marktzugangs ausserhalb von Zöllen und Tarifen gesucht werden. Vielmehr kann und soll die Schweiz die Aufhebung der Zölle zum Anlass nehmen, um gegenüber ihren Handelspartnern ihren Willen zu betonen, den internationalen Handel weiter zu erleichtern.
2. Weiterer Zollabbau ist nötig
So sehr wir die vorgeschlagene Massnahme der Zollsenkung begrüssen, wollen wir an dieser Stelle betont wissen, dass damit lediglich ein verhältnismässig kleiner Schritt von Handelserleichterungen getan wird. Die Schweiz verzichtet bereits bei vielen Handelspartnern auf die Erhebung von Industriezöllen (Freihandels- Vertragspartner, APS-berechtigte Entwicklungsländer), so dass heute noch etwa 20% der Industriegüterimporte einem Einfuhrzoll unterliegen, zu durchschnittlich 1,8% des Importwerts. Überaus wichtig ist die Zollreduktion hingegen für bestimmte Wirtschaftszweige, namentlich die Textilindustrie. Über sämtliche Branchen gesehen, ist der Vorteil vor allem auf den Effekt der administrativen Entlastung durch die Vereinfachung der Zollformalitäten zurückzuführen.
Für das Exportland Schweiz ist es notwendig, dass der Abbau von Handelshemmnissen weiter und mit Nachdruck vorangetrieben wird. Handlungsbedarf besteht in Form von Reformen in der WTO und in der Weiterentwicklung des Freihandelsnetzes. Unilateral, d.h. ohne auf Verhandlungen mit anderen Staaten angewiesen zu sein, drängt sich eine weitere Senkung von Importzöllen, namentlich auch auf Agrarprodukte und Lebensmittel, auf. In diesem Bereich verfolgt die Schweiz eine sehr restriktive Handelspolitik mit hohen Zolltarifen und strikten Einfuhrkontingenten, die dem Anspruch einer offenen Handelsnation nicht gerecht wird. Dementsprechend wäre der volkswirtschaftliche Nutzen von Importerleichterungen für Agrarprodukte hoch. Zudem würde die Schweiz ihre Verhandlungsposition für Freihandelsabkommen beträchtlich steigern können, scheiterten doch in der Vergangenheit viele Verhandlungen an Fragen über die Landwirtschaft. Für die Schweizer Landwirtschaft wäre ein Zollabbau bei entsprechender Neuausrichtung der Agrarpolitik verkraftbar. Bereits bestehende Beispiele der Marktöffnung zeigen, dass eine liberale Agrarhan delspolitik sowohl volkswirtschaftlich wie auch für die landwirtschaftlichen Akteure selbst vorteilhafter ist.
Bemerkungen zu den beantragten Neuregelungen
1. Aufhebung von Zöllen
Die vorgeschlagene Anpassung der Tariflinien im Anhang I des Zolltarifgesetzes, welche Industrieprodukte betreffen, wird von der Handelskammer Graubünden klar unterstützt. Der Abbau von Zöllen ist ein wichtiges Anliegen der Wirtschaft und findet bei den Unternehmen breite Zustimmung.
Die Senkung auf den Nulltarif ist, wie es der Bundesrat im erläuternden Bericht darlegt, definitiv zu verstehen. Der Bericht verweist aber auch an mehreren Stellen auf die Möglichkeit, die Zolltarife zu einem späteren Zeitpunkt wieder anzuheben. Aus unserer Sicht darf heute eine erneute Anhebung einzelner Tariflinien aber keine Option darstellen. Ansonsten kann von keiner Aufhebung der Industriezölle kaum die Rede sein.
Handelskammer und Arbeitgeberverband Graubünden anerkennt, dass die Anpassung der Zolltariflinien auf den Nullwert eine pragmatische und in Anbetracht der internationalen Verpflichtungen der Schweiz die einzig praktikable Vorgehensweise darstellt, um die Erhebung von Zöllen auf Industrieprodukte auszusetzen. Die Massnahme täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass die Tariflinien weiterbestehen und Warendeklarationen bei Ein- und Ausfuhr weiterhin notwendig sein werden. Längerfristig muss die Schweiz den Abbau möglichst vieler tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse in Angriff nehmen.
2. Vereinfachung der Zolltarifstruktur
Die geplante Vereinfachung der Zolltarifstruktur bzw. die Reduktion der achtstelligen nationalen Tarifnummern auf die international harmonisierten sechs Stellen wird begrüsst. In den meisten Fällen, in denen die Schweiz Unterteilungen auf nationaler, achtstelliger Stufe führt, besteht dafür kein Nutzen mehr. Vielmehr wird dadurch die ohnehin komplexe Zolltarifstruktur unnötig aufgebläht und die Tarifeinreihung durch Importeure erschwert. Wo immer es die internationalen Verpflichtungen und die nationale Gesetzgebung zulassen, sollten administrative Vereinfachungen vorgenommen werden, um die Unternehmen bei ihrer Handelstätigkeit zu entlasten. Eine Einführung zusätzlicher Codes in der Zolltarifstruktur ist auf alle Fälle zu vermeiden.
3. Inkrafttreten der Vorlage
Ein Inkrafttreten der geänderten Zolltarife auf den frühestmöglichen Zeitpunkt und in einem Schritt wird ausdrücklich begrüsst.
Gerne hoffen wir, dass unsere Bemerkungen zu dieser Vorlage in die Vernehmlassung des Kantons Graubünden zuhanden des Bundes positive Aufnahme finden. Wir bedanken uns für Ihre Bemühungen und verbleiben